Paix, Justice, Travail
Einsatz in der DR Kongo vom 14.05 bis zum 28.05.2024.
Von Klaudia Nußbaumer
Von der Verwirklichung des Wahlspruchs des Landes ist die Republik meilenweit entfernt.
Es herrschen eher Korruption, Anarchie und Armut.
Vor dem Einsatz war ich ein wenig aufgeregt. Ich hatte Kikwit zuletzt vor fünf Jahren besucht und es war mir in nicht so guter Erinnerung geblieben.
Aber in den fünf Jahren hat sich viel getan, nicht zuletzt durch den Neubau der Ambulanz mit ansprechenden Untersuchungsräumen und viel Platz für Material. Selbst im gemieteten Haus hatte sich Dr. Tollo alle Mühe gegeben, mir den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu gestalten. Es gab ausreichend Platz, eine neue Matratze, Kleiderbügel….eben perfekt. Dazu kam das fließende Wasser und man musste sich nicht mehr aus der Regentonne bedienen.
Die erste Nacht in Kinshasa nach dem langen Flug war allerdings schon gewöhnungsbedürftig. Man hatte bei „Don Bosco“ offensichtlich nicht mit uns gerechnet und suchte durch etliche Telefonate nach freien Zimmern. Das waren nun nicht die besten Räume. Anscheinend wohnten sonst Priesterschüler dort. Ich hatte in meinem Zimmer wirklich das Gefühl, das man den eigentlichen Bewohner aus seinem Bett geworfen hatte. Es lagen noch Zahnbürste und Zahnpasta, Rasierzeug und andere Utensilien im Bad. Auf dem Nachtschrank befanden sich eine Armbanduhr und ein Goldkettchen sowie Geld. Aber auch diese Nacht ging vorbei. Am anderen Morgen teilten wir uns auf das Auto und den Bus auf. Der Busbahnhof bot schon um sechs Uhr ein wildes Treiben. Lautstark wurden unsere Namen für das Gefährt, das uns nach Kikwit bringen sollte, ausgerufen. Von bequemem Reisebus keine Spur, ein ausgemusterter Linienbus mit Hartschalensitzen erwartete uns. Das konnte ja eine angenehme Fahrt werden!
Etwa nach einer Stunde Fahrt erhob sich ein Mann und predigte laut. Wir konnten nur Halleluja und Amen verstehen. Mit Vehemenz sprach er der einheimischen Bevölkerung ins Gewissen, die mit einem chor-reifen Gospel und vielen Hallelujas antwortete.
Die Fahrt schleppte sich durch etliche Dörfer. Wir sahen mühselig zusammengeschusterte Häuser, die man bei uns nicht mal für Tiere verwenden würde. In diesen Dörfern gibt es natürlich keinen Strom oder fließendes Wasser. Die Menschen scheinen nicht zu leben sondern nur zu vegetieren. Die Hütte wird nur zum Schlafen benutzt, sonst lebt man ausschließlich draußen. Die Notdurft wird irgendwo in der „Botanik“ verrichtet.
Gegen 18 Uhr erreichten wir dann Kikwit. Am Busbahnhof wurden wir abgeholt und noch zum Hospital gefahren. Der Anästhesist Homam Al Sabbagh und die OP-Schwester Anne Fischer hatten die OP-Säle startklar gemacht. Alles Inventar musste von der Ambulanz über den weitläufigen Hof in den OP-Trakt gebracht werden. Die beiden hatten sich den Feierabend redlich verdient.
Dr. Emmanouilidis war in der Zeit auch nicht untätig und hatte schon für ein volles OP-Programm gesorgt. Vor der Ambulanz standen Unmengen von Menschen. Der Gedanke an Albert Schweitzer kam einem unweigerlich in den Sinn.
Nach einem mehr oder weniger erholsamen Nachtschlaf – die krähenden Hähne in der Umgebung störten – gingen wir über sandige Wege bei schon am Morgen heißen schwülen Temperaturen zum Hospital.
Wir hatten dieses Mal sehr gute Hilfe vom einheimischen Pflegepersonal. Malindisi half beim Aufbereiten der Instrumente, Vital half überall und machte etliche Botengänge, Ivon stand immer zum Sterilisieren der Container bereit und Jean-Louis (Dr. Mabaya) war immer unser kompetenter Ansprechpartner.
Die Arbeit war oft anstrengend. Das Klima trägt ein Übriges dazu bei, aber die Stimmung im Team ließ einen alles ertragen. Im Anblick von schweren bis schwersten Erkrankungen und dem damit verbundenen Leid der Kinder wurde der eine oder andere von uns schon sehr traurig.
Was hätten diese Kinder für Aussichten, wenn das Hammer Forum nicht käme!
Die Umstände der Arbeit im Kongo sind nicht die Leichtesten. Von Behördenseite werden viele Steine in den Weg gelegt. Wir nehmen diese Unwegsamkeiten gern in Kauf für die Genesung der Kinder und die glücklichen Eltern.
Im „Aufwachraum“ lagen die kleinen Patienten, betreut von der Pädiaterin Carolin Staude, wie immer auf den Matratzen am Boden. Es gibt keine Klimaanlage dort und auch kein Licht. Die arme Carolin hat viel geleistet unter diesen Bedingungen. Gegen Mittag war die Luft dort nicht mehr zu ertragen. Aber aus dem Raum kam oft fröhlicher Gesang, der alle anderen zum Mitmachen animierte.
Nach meistens 12 Stunden Arbeit hatten wir dann Feierabend. Wenn wir Glück hatten und es das Programm zuließ, waren ein bis zwei Teamkollegen schon zum Kochen ins Haus gefahren.
Unser Team bestand aus Mitgliedern mehrerer Nationen und so bekamen wir auch internationale Küche geboten. Zweimal sorgte Dr. Tollo für kulinarische Köstlichkeiten in Form von Rinderragout und Fisch.
Nach dem Spülen und Aufräumen ging der Abend schnell zu Ende. Die meisten waren doch sehr müde, denn am anderen Tag stand ja wieder viel Arbeit an.
Am ersten Sonntag- Pfingsten – hatten wir frei. Einige fuhren mit dem Motorrad zum Waisenhaus von Schwester Albertine, der Rest zog Entspannung unter Palmen vor.
Ausgeruht starteten wir dann in unsere letzte Arbeitswoche, die noch spannende OPs bot. Gerade die jüngeren Mediziner empfanden es als Gewinn, solche Erkrankungen zu sehen. Damit wird man ja in Europa überhaupt nicht mehr konfrontiert. Ebenso waren sie von der Improvisation beeindruckt. Osteosynthesen ohne Röntgengerät in Europa unvorstellbar. Aber Dr. Emmanouilidis platzierte die Platte plus Schrauben so präzise, das hätte ein Röntgengerät auch nicht verbessert.
So kam irgendwann der letzte OP-Tag. Es wurden noch 12 kleinere Eingriffe durchgeführt und dann ging es an den Rücktransport des OP-Inventars in das Lager der Ambulanz .
Mit viel Spaß und etlichen Fotos bewältigten wir die Arbeit. Großes Abschiednehmen von allen einheimischen Helfern…ich könnte mir nach diesem Einsatz vorstellen, zum Kongo zurückzukehren.
Aber wir hatten ja noch den Transfer zum Flughafen vor uns. Und das war ein echter Höllentrip.
Leider waren die Tickets nicht für die erste Bustour gebucht. So befürchteten wir schon das Schlimmste. Die Fahrt begann sehr schleppend, hier noch was registrieren, dort etwas kopieren, vielleicht noch einkaufen etc.
Schon nach kurzer Fahrtzeit kam die erste Kontrolle. Und nur die Weißen wurden kontrolliert. Wir reichten die Kopien von Pässen und Visa dem Kontrolleur, der mitnichten immer autorisiert schien.
Letztendlich ging es wohl nur um Geld. Man kann es ja mal versuchen… jeder bedient sich so gut er kann. Es gab hitzige Debatten nach der sechsten Kontrolle. Wir sollten aussteigen, im Kongo bleiben und nicht weiterfahren. Schon nach ca. 100 Metern erwischte uns die nächste Kontrolle. Jede Provinz kontrolliert bei Ein- und Ausreise. Da kommt auf der Strecke so einiges zusammen und die Zeit lief. Inzwischen kamen wir durch ein Dorf, indem offensichtlich ein Schüler gestorben war. Martialisch aussehende junge Männer kamen mit Schlagstöcken auf den Bus zugerannt; die Fenster wurden von uns schnell geschlossen. Wir hörten die heftigen Schläge, die den Bus trafen. Das machte schon Angst. Niemand von uns hatte so etwas je erlebt.
Das nächste Hindernis war eine Überschwemmung der Straße. Man hatte das Gefühl durch ein Bassin zu fahren. Und die Zeit lief.
Immer wieder schaute Dr. Emmanouilidis zur Uhr. Nur noch zwei Stunden! Wie sollten wir unser Flugzeug noch erreichen? Er rief Dr.Tollo an. Der sollte bei der Fluggesellschaft nachfragen, ob wir noch die Chance hätten mitgenommen zu werden.
Endlich in Kinshasa angekommen, erwischte uns die Rush-hour. Kaum durchzukommen. Wir feuerten den Busfahrer schon an. Die Unterstützung der Einheimischen war uns sicher. In letzter Minute hielten wir am Flughafen. Dr. Emmanouilidis stürzte zum Schalter, Anne und Ali holten Gepäckwagen, Carolin bewachte die Koffer und Sarah, Homam und ich versuchten das Gepäck zügig aus dem Bus zu bekommen. Nicht ganz so einfach, da ein unsinnigerweise angebrachtes Drehkreuz den Vorgang erschwerte. Aber die einheimischen Passagiere halfen uns. Mit vielen guten Wünschen für den Flug wurden wir verabschiedet.
Wir hatten Glück! Der Schalter war noch für uns offen. Ein schwerer Stein fiel allen vom Herzen. So schafften wir alle Formalitäten noch recht schnell und kamen erleichtert am Gate zum Boarding an.
Der Rückflug war dann ziemlich angenehm. Es gab sogar zum Schlafen genug freie Sitze.
Ein erfolgreicher, abenteuerlicher Einsatz war zu Ende. Jeder freute sich auf sein Zuhause.
In dieser netten Teamkonstellation könnte man das Abenteuer DR Kongo wiederholen.