Einsatzbericht

Einsatz für Flüchtlinge in Griechenland 09.2016

Eigentlich hatte ich vor, in Griechenland Urlaub zu machen. So flog ich am 27.07.2016 nach Griechenland. Dort nahm ich aber zunächst Kontakt mit der SAMS auf, einer NGO aus den USA, mit der gemeinsam das HFO (Hammer Forum) in drei Hotspots (Karamanlis, Iliadis, Fragapor) nahe von Thessaloniki die medizinische Versorgung der Flüchtlinge inne hatte.

Flüchtlingshilfe in Griechenland, September 2016

von Dr. Emmanouilidis

Im Vorfeld des jetzigen Einsatzes des Hammer Forum für die Flüchtlinge in Griechenland hatte es im Vorstand mühsame, auch kontrovers geführte Diskussionen bis zur Entscheidungsfindung gegeben.

Inzwischen sind in Griechenland alle ca. 66.000 Flüchtlinge registriert. Sie bekommen Ausweise mit Foto, Unterschrift und Stempel. Damit sind sie mobil. Sie können überall hingehen, wohin sie wollen. Sie können die Hotspots verlassen und kommen, wann sie möchten. Sie können Wohnungen mieten usw. usw. Sie alle wissen aber immer noch nicht, was weiter mit Ihnen geschehen soll.

Manche stellen einen Asylantrag. Andere wollen weiter in andere EU-Länder zu ihren Angehörigen usw.

Das Gesundheitsministerium arbeitet sehr gut mit den vielen NGOs aus der ganzen Welt zusammen. Dadurch ist die medizinische Versorgung gewährleistet.

Auch die niedergelassenen Ärzte helfen freiwillig und unentgeltlich. Die Flüchtlinge werden in den Hospitälern kostenlos behandelt.

Viel unterwegs gewesen statt Urlaub

Eigentlich hatte ich vor, in Griechenland Urlaub zu machen. So flog ich am 27.07.2016 nach Griechenland. Dort nahm ich aber zunächst Kontakt mit der SAMS auf, einer NGO aus den USA, mit der gemeinsam das HFO (Hammer Forum) in drei Hotspots (Karamanlis, Iliadis, Fragapor) nahe von Thessaloniki die medizinische Versorgung der Flüchtlinge inne hatte.

Außerdem führte ich Gespräche mit der Direktorin Frau Dr. Leptokaridou von EKEPY ( Abteilung des Gesundheitsministeriums) und mit dem Staatssekretär des Migrationsministeriums, beide zuständig für ganz Nordgriechenland. Ich nahm auch teil an der Sitzung des UNHCR in Thessaloniki. In fast allen Hotspots ist das UNHCR tätig.

Bis zum 6.8.16, bevor Frau Dr. Birgitta Boye ankam, die wir über German Doctors hatten gewinnen können, fuhr ich -zig Mal nach Thessaloniki und zu den Hotspots und legte, ausgehend von meinem Urlaubsort, 1.200 Km zurück. Außerdem habe ich unzählige E-Mails schreiben, Gespräche und Telefonate mit verschiedenen Behörden führen müssen.

An zwei Tagen habe ich mit SAMS als Arzt gearbeitet und mit der Koordinatorin von SAMS mehrmals über die gemeinsame Arbeit gesprochen, sie war eine sehr schwierige Gesprächspartnerin (und das milde ausgedrückt).

Herr Kolovos und ich holten Frau Dr. Boye vom Flughafen ab. Bis zum 22.8.16 arbeitete Frau Dr. Boye mit SAMS zusammen.

Hotspot in Serres

Am 23.8.16, in einem Gespräch erst mit EKEPY und später mit dem Migrationsministerium, wurde das Hammer Form gebeten, nach Serres zu fahren, ca. 100 Km nordöstlich von Thessaloniki, um das vor ca. 2 Wochen neu eingerichtete Camp gemeinsam mit der NGO Humedica aus Kaufbeuren und einer griechischen NGO „Praksis“ (rein kardiologisch) (Fotos 7-8), die Flüchtlinge medizinisch zu versorgen.

Am gleichen Tag fuhren wir (Dr. Boye, Herr Kolovos und ich) nach Serres.

In diesem Camp waren zuerst 420 Flüchtlinge, ausschließlich Familien mit Kindern aus dem Irak, untergebracht, und später kamen noch 110 Flüchtlinge hinzu. Allesamt sind Jesiden. Nur eine Großfamilie stammt aus Syrien. Im Camp leben 260 Säuglinge und Kinder unter 12 Jahren, d.h. fast 50% sind Kleinkinder. Die kulturelle Gemeinsamkeit und die gleiche Sprache erleichtern einerseits das Zusammenleben, und andererseits ist der Umgang mit den Gästen für den Gastgeberstaat deutlich einfacher als in anderen Hotspots, in denen Menschen aus verschiedenen Kulturen und Sprachen zusammen in beengten abgeschlossenen Arealen und Räumen leben müssen.

Es gibt tgl. 3 Mahlzeiten. Die Kinder werden von einigen NGOs aus Griechenland (Foto 1) und auch dem Ausland, wie „Save the children“ aus England, tagsüber beschäftigt. Die Kinder im Schulalter sollen bald unterrichtet werden, allerdings ist es fast aussichtslos, einen Lehrer zu finden, der ihre Sprache, nämlich Jesidisch oder auch Kurdisch spricht. Deshalb sollen die Kinder in Englisch und Griechisch unterrichtet werden.

Oft, während Dr. Busse die kranken Kinder und andere Flüchtlinge untersuchte und behandelte, konnte ich mich nebenan mit jüngeren und älteren Männern unterhalten. Ich war immer ein guter Zuhörer. Sie erzählten mir, was sie alles erlebt und durchgemacht haben. Sie sind dankbar, endlich in Sicherheit und Frieden leben zu können und auch dankbar, dass sich jemand um sie kümmert. Sie stellen keine Ansprüche.

Sie alle sind traumatisiert, perspektiv- und hoffnungslos. Vor allem die Frauen leiden unter diesem aussichtslosen Zustand, klagen viel über Kopfschmerzen, Bauchschmerzen, Schlaflosigkeit und Schwindelgefühl.

Einige Flüchtlinge haben in verschiedenen anderen europäischen Ländern oder in Amerika, Kanada und Australien Verwandte oder Familienangehörige. Sie bekommen hin und wieder über Western Union Geld geschickt. Dann können sie sich auch etwas im Supermarkt kaufen.

Ich konnte schnell Kontakt mit dem lokalen Ärzteverein aufnehmen. In einem Treffen haben die niedergelassenen Ärzte -HNO, Augen, Gynäkologen, Dermatologen und Zahnärzte - sich bereit erklärt, notwendige spezielle Untersuchungen und Behandlungen der Flüchtlinge kostenlos durchzuführen. Den Transport der Flüchtlinge zu den jeweiligen Praxen und sogar zum Krankenhaus haben Bürger der Stadt Serres auf eigene Kosten übernommen. Dasselbe gilt auch für das Krankenhaus in Serres.

Ärztliche Tätigkeit

Am 11.09.16 beendete Frau Dr. Boye ihren Einsatz. Am 08.09.16 traf Herr Dr. Dietrich Busse in Thessaloniki ein. Ich holte ihn vom Flughafen ab. Vom 08.09 bis 22.09.16 haben wir zusammen gearbeitet. Herr Dr. Busse ist jetzt bis zum 15.10.16 als Arzt im Camp von Serres allein für die medizinische Versorgung zuständig. Er ist 5x ganztägig und 1x nachmittags im Hotspot in Serres für die Flüchtlinge da. Es müssen viele Verbände angelegt werden (Fotos 2-6).

Am 15.10.16 wird Frau Dr. Helga Lemme aus Leipzig eintreffen und Herrn Dr. Busse dann ablösen. Nach 4 Wochen wird Frau Dr. Sahnwald sie ablösen und 2 Monate bleiben, alle Ärzte wurden über German Doctors gewonnen.

Anfänglich konnten wir pro Tag (in 7-8 Stunden) im Durchschnitt nur 25 Flüchtlinge untersuchen und behandeln. Der Grund sind die sprachlichen Barrieren. Viele von den Flüchtlingen, insbesondere die kleineren Kinder und älteren Frauen, sprechen nur jesidisch, einige auch kurdisch und wenige zusätzlich arabisch. Als Dolmetscher dienten vor allem jesidische jüngere Männer, die einigermaßen Englisch sprachen. Für den Dolmetscher, der keine medizinische Kenntnisse hatte, war es oft schwierig, das zu übersetzen, was die Kranken geklagt hatten und auch, was der Arzt den Kranken sagen wollte. Manchmal mussten wir ahnen, was sie uns sagen wollten. Deshalb brauchten wir manchmal 1 Stunde, bis der Patient untersucht und behandelt war. In den letzten Tagen klappte es besser, der Arzt verstand, was der Dolmetscher sagen wollte und umgekehrt auch, sodass jetzt pro Tag 35-40 Kranke untersucht und behandelt werden.

Die häufigsten von uns behandelten Erkrankungen waren Infektionen der oberen Luftwege, Gastroenteritiden (Erbrechen, Durchfall), Erkrankungen der Haut, Fieber, Kopfschmerzen, kleine Verletzungen und wenige Notfälle-alles wie in einer allgemeinen normalen Arztpraxis. Wir hatte auch Patienten mit Zahnproblemen, die dann der Zahnarzt behandelte.

Medikamente

Von Anfang an haben wir in Serres den Kranken an Medikamenten nur die Tagesdosis gegeben und sie für den Nachmittag oder den nächsten Tag wieder einbestellt. So konnten wir den Verlauf der Erkrankung unter Kontrolle behalten. Nach einer Woche haben sich 7 Männer zusammen bei uns beschwert, dass sie nur ganz wenig Medikamente bekämen, sie hätten im Irak und in der Türkei viele und großen Mengen Medikamente erhalten. Daraufhin haben wir die Gründe erneut und ausführlich erklärt. Wir (Hammer Forum und Humedica) sind jeden Tag von morgens bis Abends im Camp und wir wollen den Verlauf der Erkrankung unter Kontrolle haben, um bei Bedarf entsprechend zu reagieren. Außerdem haben wir festgestellt, dass viele Flüchtlinge mit Tüten, so groß wie 3 Liter Gefriertüten halbvoll oder sogar voller Medikamente, zu uns kommen. Ich ließ zwei Tüten bringen und zeigte ihnen die Medikamente, verschiedene Antibiotika, Beruhigungs-- und Schmerzmittel, Salben usw. zum Teil noch original verpackt. Erst dann haben sie eingesehen, dass unser Vorgehen richtig war.

Zusammenfassung

Das Hammer Forum ist inzwischen in Griechenland bekannt. Es leistet wertvolle Arbeit. Die Zusammenarbeit mit anderen NGOs, den niedergelassenen Ärzten in Serres, dem Hospital und den Behörden ist sehr gut.

Die Flüchtlinge kommen in einem schlechten Zustand, sie sind ängstlich, entkräftet und fertig. Was sie erlebt haben, können sie erst nicht erzählen. Sie brauchen Tage, bis sie versuchen, das Erlebte zu formulieren.

Die Flüchtlinge sind gezeichnet von Erschöpfung und Hoffnungslosigkeit. Hier sind sie sicher. Wie soll es weiter gehen fragten sie immer wieder.

Ich bin froh und etwas stolz bin ich auch auf meine erste Heimat, dort die Hilfsbereitschaft der Menschen zu sehen und zu erleben. Der Staat tut viel, um das Leben der Flüchtlinge erträglicher zu machen. Trotz der eigenen Probleme versucht er, immer gemeinsam mit UNHCR und vielen NGOs, befriedigende Lösungen für das Leben der Flüchtlinge zu finden.

Obwohl ich keinen Urlaub in Sinne einer Erholung gemacht habe, bin ich froh und zugleich glücklich, den Flüchtlingen geholfen zu haben und bei ihnen gewesen zu sein.

Inzwischen bin ich mit dem Auto meines Bruders fast 1.800Km gefahren.

In einem Vorort von Serres hat Herr Kolovos für uns ein Haus gemietet. Wir sind Selbstversorger.

Die Untersuchungen und Behandlungen fanden in unserem Notarztwagen statt. Die Anschaffung des Notarztautos war nicht nur dafür, sondern auch für unsere Mobilität goldrichtig.

Solange die Flüchtlinge medizinische Hilfe benötigen, wird das Hammer Forum sicher - so hoffe ich - nach seinen Möglichkeiten diese Hilfe bereit stellen. 

1. Spielen und singen mit den Flüchtlings-Kindern

 

 

2. +3. Kinder mit Durchfall und hohem Fieber. Dr. Busse schreibt auf  bzw. zeigt, wie die Medikamente zu einzunehmen sind.

4.     Drs. Boye und Busse inspizieren die Großzeh-Verletzung und Entzündung

 

 

5. Hingefallen, infizierte grössere Hautabschürfung.

6. Die meisten untersuchten Flüchtlinge waren Kinder unter 12 Jahren

7. Das Kind wurde an einem Herzfehler operiert. Jetzt grippaler Infekt. Es soll in den nächsten Tagen vom Kinderkardiologen der NGO „Praksis“ untersucht werden.

8. Dr. Achilleas Skordas, Kinderkardiologe mit seiner komplett mit Echogerät und Generator eingerichteten mobilen kardiologischen Praxis (NGO Praksis).