Bericht zur Flüchtlingsarbeit in Griechenland
Von Dr. Birgitta Boye
Vom 6.8.2016 bis 11.9.2016 habe ich für das Hammer-Forum als Ärztin in verschiedenen Camps für Flüchtlinge in der Nähe von Thessaloniki gearbeitet. Mein Einsatz erfolgte aufgrund einer Anfrage von Herrn Dr. Emmanouilidis an German Doctors (NGO in Bonn), für letztere war ich schon einige Male in Entwicklungsländern tätig.
Nach meiner Ankunft wurde ich in ein Hotel im Norden von Thessaloniki gebracht. Dort waren auch die Mitarbeiter der amerikanischen NGO SAMS untergebracht. An der Seite dieser Organisation habe ich vom 7.8. bis 22.8. gearbeitet. Herr Kolovos fuhr mich jeweils zu den Camps. Die Auswahl der Camps erfolgte über SAMS: an jedem Arbeitstag wurde in der Morgenbesprechung die Verteilung der Camps in der Nähe von Thessaloniki (Iliadis, Frakapor und Karamanlis) an die jeweiligen Mitarbeiter festgelegt. Die Arbeitszeiten waren ca. 10.30 bis ca. 13.30 Uhr und von ca. 16 Uhr bis ca. 19.30Uhr. Die Pausenzeit war durch die Fahrten und Essenzeit ausgefüllt. An den Samstagen wurde ca. von 10 Uhr bis 14 Uhr durchgearbeitet. An den Sonntagen fuhren Herr Kolovos und ich mit dem Ambulanzwagen nach Herakles, wo wir jeweils ca. 4 Stunden arbeiteten. Das Camp - „Herakles“ liegt in der Nähe von Katerini ca. 1 Stunde entfernt vom Hotel und war nur noch mit ca. 120 Flüchtlingen belegt, wurde also langsam aufgelöst.
Am 23.8. fuhren wir (endlich) nach Serres, wo uns Dr. Emmanouilidis der dortigen Camp-Koordinatorin vorstellte. Bereits am nächsten Tag hatten Niko und ich einen sehr langen Arbeitstag.
Das Camp Serres
Es war etwa 2 Wochen vor unserer Ankunft eröffnet worden. Ca. 420 Flüchtlinge waren bereits da, sie leben größtenteils in Familien-Zelten.
In etlichen Zimmern – es stand kein einziges Zimmer für Ärzte oder Medizin-Bedarf zur Verfügung -schliefen Familien oder Jugendliche wie Heringe.
Etliche der Gebäude könnten renoviert werden, wir dachten an „ein paar Wochen“. Zum Schluss meines Aufenthalts sahen wir, das nichts geschehen war, außer dass wieder die Resträume gefüllt worden waren mit neuen Flüchtlingen.
Am Rande des Camps standen ca. 20 einfache kleine Holz- oder Plastik-Häuschen. Es war sichtbar, das etliche Flüchtlinge sehnsüchtig sich in der Nähe dieser Häuschen aufhielten, vielleicht um „den Umzug“ endlich tätigen zu können. Auch das ist bis zum Ende meines Aufenthalts nicht geschehen. Der Grund sei: es gebe nicht genügend Wasser- und Elektrizitäts-Versorgung dafür.
Die Ärztliche Versorgung
Wir fuhren zunächst, außer Sonntags, täglich in das Camp. Es wird durch weitere NGOs (Humedica, und Praksis) versorgt. In Camp Herakles haben wir im Schnitt ca. 25 Patienten pro Sonntag untersucht und behandelt.
Der Ambulanzwagen war wirklich nötig: Wir konnten individuell behandeln, auch die Türen schließen (z.B. für die diskrete Untersuchung v.a. bei Frauen), das wichtigste „Handwerkszeug“ ist vorhanden (oder hatte auch ich mitgebracht), die Medikamente konnten wir nachbestellen bzw. kaufen über eine Möglichkeit in Thessaloniki per -Internet und Post.
Schwierigkeiten bestehen darin, dass griechische Medikamente in griechischer Sprache ge- und beschrieben sind. Ein Nicht-Arzt und auch ein Arzt, der nicht Griechisch kann, tut sich schwer bei der Übersetzung auch als Facharzt, z.B. bei Dosis-Angaben.
Wir hatten Glück, dass einige junge Männer aus der Flüchtlingsgruppe etwas Englisch konnten und bereit waren, zu übersetzen. Oft war zweimaliges Übersetzen notwendig: Irakisch/Kurdisch ins Englische, von Englisch ins Deutsche oder von Griechisch ins Deutsche. So geht natürlich auch Information verloren. Meistens hatten aber wir alle die Geduld, uns zuzuhören bis das Richtige (Diagnose, Beschwerden, Medikament) gefunden war. Manchmal war es auch ziemlich stressig: Lärm, Hitze, Gerüche, Enge.
Die Erkrankungen der Flüchtlinge weisen wie in einer hausärztlichen Praxis alles auf: von Kopfweh bis Epileptischen Status, von Karies bis Abortus, von Tonsillitis bis Prä-Ileus, von Dornwarze bis Diabetes...also von Kopf bis Fuß. Aber das war mir nichts Neues, und es ist ja doch ein spannender Beruf als Hausarzt.
Wie oder was könnte noch besser werden:
Weiterführung des „Blue Book“ für die Patienten, damit ein follow-up möglich ist, Arzt und Patient könnten sich verstehen und sicherer fühlen. Das Blue Book muß beim Patienten bleiben, er muss es jedes Mal, wenn er zu einem Arzt geht, mitbringen. Der Name darf nur noch vom mitgebrachten Ausweis (es gibt tatsächlich das Wort „Ausweis“ in deutsch für diese ID-Card) abgeschrieben werden (Vorname und Familienname). Diese Menschen haben nämlich mindestens 4 Namen, die sie immer wieder variieren und wodurch ein heilloses Durcheinander in der Organisation entstanden ist oder entstehen kann. Es gibt bei ihnen den Vornamen, den Rufnamen, den Familiennamen des Vaters und den der Mutter....und dann wird nach gusto variiert....Chaos.
Das Blue Book - soll enthalten: Beschwerden, Befunde, Diagnose und Behandlung, ganz einfach, aber sehr nützlich!
Trotz manchem „Sand im Getriebe“ hat mir die Arbeit Freude gemacht. Mühe war es auch, aber letztlich bleibt das Positive.
Ich wünsche meinen Nachfolgern und Nachfolgerinnen viel oder noch viel mehr Erfolg.
Bad Endorf, 29.9.2016